Radioaktive Abfälle, oder anders ausgedrückt, nukleare Abfälle, fallen in erster Linie bei der Stromerzeugung in Kernkraftwerken an. Wie jeder andere giftige Abfall muss auch der Atommüll sicher entsorgt werden, wobei die Auswirkungen der Entsorgung auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu berücksichtigen sind. Bis heute ist man sich weltweit einig, dass die beste Lösung für die Endlagerung die geologische Tiefenlagerung ist, und daher hat auch Deutschland beschlossen, alle radioaktiven Abfälle tief unter der Erde zu lagern. Bei der Endlagerung nuklearer Abfälle stehen vor allem die Standortauswahl, die Genehmigung und der Betrieb der ausgewählten Endlager im Vordergrund.
Die radioaktiven Abfälle werden je nach Grad ihrer Radioaktivität in drei Gruppen eingeteilt: schwach-, mittel- und hochradioaktive Abfälle. Weitere wichtige Faktoren wie die Zerfallshalbwertszeit, die Radiotoxizität des Abfallmaterials und die Wärmeentwicklung werden bei der Einstufung berücksichtigt und sind daher entscheidende Faktoren bei der Entscheidung für einen geeigneten Standort. In Deutschland ist das Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle bereits gefunden, und die BGE (Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH) ist derzeit mit der Auswahl eines geeigneten Standorts für hochradioaktive Abfälle beauftragt.
Ein Endlager ist ein unterirdisches Lager für gefährliche (z. B. radioaktive) Abfälle in einer stabilen geologischen Umgebung, das eine Reihe von Mindestanforderungen erfüllen muss, um eine langfristige Isolierung und einen Einschluss ohne künftige Wartung zu gewährleisten. Das Endlager umfasst die gelagerten radioaktiven Abfälle, die Behälter, die diese Abfälle einschließen, andere mögliche technische Barrieren um die Behälter, den Tunnel um die Behälter/zusätzliche Barrieren und die umgebende geologische Felsformation.
Im ersten Schritt des Auswahlverfahrens wurden Gebiete ausgeschlossen, die nach den gesetzlichen Ausschlusskriterien des StandAG als Endlagerstandort für hochradioaktive Abfälle in Deutschland ungeeignet sind. Die verbleibenden Gebiete wurden zunächst in Gesteinskategorien (Tonstein, Steinsalz und kristalline Wirtsgesteine) eingeteilt und anschließend nach den Mindestanforderungen an die hydraulische Leitfähigkeit des Gesteins, die Mächtigkeit der einschlusswirksamen Zone, die Mindesttiefe der einschlusswirksamen Zone (d.h. ihr Abstand zur Erdoberfläche), die angenommene Mindestfläche des Endlagers und die Erhaltung der Barrierewirkung bewertet.
Im letzten Schritt werden diese identifizierten Gebiete nach den in § 24 StandAG festgelegten geowissenschaftlichen Abwägungskriterien hinsichtlich ihrer günstigen geologischen Gesamtsituation und damit ihrer Eignung als Endlagerstandort für hochradioaktive Abfälle bewertet. Diese elf Kriterien beziehen sich auf:
Die Schwierigkeit bei der Bewertung eines Standorts im Hinblick auf seine langfristige Sicherheitsleistung ergibt sich aus den verschiedenen Arten von Unsicherheiten, die während der Bewertung auftreten. Die Hauptquelle dieser Ungewissheiten sind unter anderem:
Um mit diesen Ungewissheiten umzugehen, ist eine Kombination aus quantitativen und qualitativen Kriterien und Methoden erforderlich, die systematisch und umfassend eingesetzt werden müssen. Die Entwicklung von Szenarien ist ein gängiger Ansatz zur Vorhersage des spezifischen Standortverhaltens, der aus einer Liste von geologischen, vom Menschen verursachten und durch die Wechselwirkung zwischen Abfall und Endlager verursachten Phänomenen besteht, die zu einem möglichen Versagen des Endlagers führen können. Häufige Methoden der Szenarioanalyse sind z. B. die Fehler-Ereignis-Baum-Methode (das Endlager wird durch ein schematisches Diagramm mit Elementen dargestellt, die Fehlerereignisse definieren, die durch eine quantitative Risikoanalyse bewertet werden), Simulationsmethoden (das Endlager wird durch eine Reihe von physikalisch-chemischen Prozessen mit überlagerten diskreten Zufallsereignissen beschrieben, gefolgt von einer Quantifizierung der Unsicherheit und einer Sensitivitätsanalyse, z. B. Monte-Carlo-Methode oder Bayes-Methode) und Expertenmeinungen (eine qualitative Beurteilungsmethode, die ein hohes Maß an relevantem Wissen über eine bestimmte Endlagersituation voraussetzt).
Das Standortauswahlverfahren wurde im September 2017 gestartet und die Phase I wurde im September 2020 mit 90 Gebieten mit günstigen geologischen Verhältnissen nach dem Standortauswahlgesetz (StandAG) abgeschlossen. In einem nächsten Schritt sollen vorläufige Sicherheitsuntersuchungen (PSI) durchgeführt werden, um vorzuschlagen, in welchen Standortregionen eine übertägige Erkundung durchgeführt werden soll. Im Rahmen der PSI werden unter Berücksichtigung von Interpretationen geologischer und geophysikalischer Daten, Analogien und geowissenschaftlicher Modelle Annahmen über die Eignung als Standort mit bestmöglicher Sicherheit getroffen. Die Ungewissheiten, die mit jedem dieser Elemente verbunden sind, sind in der Endlagersicherheitsuntersuchungsverordnung (EndlSiUntV) geregelt und werden wie folgt behandelt:
Zur Erfüllung dieser Aufgaben hat die BGE ein Forschungscluster ins Leben gerufen, das die verschiedenen Themen im Zusammenhang mit Ungewissheiten untersucht, um die Robustheit und damit die Sicherheit eines Endlagers zu verbessern, einschließlich der Erweiterung des Wissensstandes über Ungewissheiten und der Entwicklung von Methoden zum Umgang mit diesen Ungewissheiten. Das Forschungscluster besteht aus sechs Forschungsverbünden, die sich mit unterschiedlichen Fragestellungen zum Umgang mit Ungewissheiten beschäftigen. Eine vollständige Liste aller Forschungsteilnehmer finden Sie hier, die jeweiligen Forschungsverbünde und deren Schwerpunkte auf den Seiten unter der Rubrik Forschung.